Eichen – von den Germanen hoch verehrte Naturheiligtümer
Kein anderer Baum war unseren Vorfahren, den Germanen, heiliger als die Eiche. Sie ist gerade für Deutschland ein außerordentlich bedeutsames Symbol geworden, was mit den überlieferten Mythen und Legenden zu tun hat. In allen Bundesländern findet man sie: gewaltige Eichen, viele hundert Jahre alt, Symbol für Kraft und Ewigkeit, von unseren Vorfahren in heiligen Hainen verehrt.

Bäume der Götter
Noch im 18. und 19. Jahrhundert besteht bei vielen Rieseneichen kein Zweifel darüber, dass ihre „Wurzeln“ in der grauen Vorzeit der germanischen Völker verankert sind. Die Chatteneiche von Dagobertshausen ist dafür ein gutes Beispiel.
Die Eiche ist den Gewittergöttern Donar und Thor geweiht und wird in einem heiligen Hain verehrt. Die mächtigen Bäume stehen wie riesige Säulen, oder, wie Friedrich Hölderlin (1771–1843) schreibt, als „ein Volk von Titanen“ auf der heiligen Stätte. Sie dienen den Alemannen beispiels- weise als Altar und als Tempel. Seit jeher sucht der Mensch das Göttliche und Ewige – und in diesen Eichen, die, wie Plinius Secundus (23–79) meint, „gleich mit der Welt entstanden“ waren, in den die Germanen ihre Gottheit.
Der römische Philosoph Seneca (etwa 1–65) berichtet, dass die antiken Völker noch einen instinktiven Bezug zum Göttlichen besitzen, das man nur in der Natur findet. Wer sich einem heiligen Hain näherte, der aus alten, großen Bäumen bestand, nahm in einem solchen weiten und dicht- beschatteten Raum die Verbindung zur Gottheit auf. Die Tempel der Griechen und Römer mit ihren Säulen sind, wie später die Türme unserer Kirchen und Dome, ein versteinertes Abbild der einstigen heiligen Haine
Neben heiligen Hainen als Gruppen besonderer Bäume an einem mit der Götterwelt verbundenen Ort werden auch einzeln stehende Eichen verehrt. Beispiele von „Göttereichen“ sind die hohle Eiche von Oppen bei Wehlau oder, östlich der Weichsel bei Romowe gelegen, das mächtigste Heiligtum des heidnischen Preußen. Dort stand eine Eiche, an der Bilder der Götter Pikullos, Perkunos und Potrimpos angebracht waren. Im Forst bei Albertshofen unweit von Kitzingen in Unterfranken standen einst drei uralte Eichen, die man die Bils-Eichen nannte. Unsere heidnischen, naturverbundenen Vorfahren hielten dort vielleicht große Versammlungen ab und brachten Opfer dar. Auch bei Heiligenheil, Thorn, Grünhain in Sachsen, oder Großbuch bei Grimma gab es in grauer Vorzeit solche Eichen. Das wohl bekannteste Beispiel ist die Donareiche bei Geismar. Der katholische Mönch Bonifatius fällt den von den Chatten verehrten und Donar geweihten Baum im Jahr 723. Ein Ersatz dafür sind oftmals Linden, die neben einer Kirche gepflanzt werden. In Frankreich gibt es auch Beispiele, dass Eichen als Kapellen genutzt werden und die heidnischen Symbole christlichen weichen.
Auch als das Christentum sich längst religiös durchgesetzt hatte, erfüllen die heidnischen Baumheiligtümer noch lange ihre einstige Rolle. Auf ehemaligen germanischen Thingplätzen dienen sie weiterhin als Gerichtsbäume. Verschiedene, aus der Literatur bekannte Exemplare sind meist Nachfolger, also sozusagen Ersatzbäume der gefällten Vorgänger.
Signatur für Wappen, Uniformen und Münzen
Die enge Verbindung von göttlicher Eiche und Germanen sorgt später für ein mystisch aufgeladenes und romantisches Bild. Gerade die auffälligen Rieseneichen sind lebende Zeugen, die das enge Band zwischen Baum und Mensch deutlich und spürbar machen: Die langlebende Eiche als maßgebliches Symbol für Ewigkeit, Kraft, Treue und Beständigkeit. Werte, die besonders in der deutschen Kultur hochgehalten werden. Insbesondere der Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803) trägt dazu bei, die Eiche zum deutschen Nationalbaum und als gefragte Signatur der Heraldik zu machen. Viele Gemeinden tragen den Baum, das Laub oder die Eichel im Wappen. Die Doppeleiche ist ein wichtiges Symbol für die Einheit Schleswig-Holsteins.
Nach dem deutschen Sieg im Deutsch-Französischen Krieg von 1870–1871 werden an vielen Orten Friedenseichen gepflanzt. Diese Geste hat Tradition: Es gibt sogar noch einige Eichen, die nach der Beendigung des Dreißigjährigen Krieges 1648 gepflanzt worden sind, zum Beispiel jene von Hermannsfeld in Thüringen. Eichenlaub finden wir bis heute auf militärischen Rang- und Ehrenzeichen. Als Sinnbild des Sieges und des Heldentums schmückt es seit 1813 auch das Eiserne Kreuz.
Auch im Forstwesen taucht die wichtige Symbolik auf: Kragenspiegel mit dem Laub und silberne oder goldene Eicheln schmücken die Schulterklappen der Dienstkleidung. Eine höhere Ehre für einen Förster gibt es nicht! In früheren Zeiten trägt diese Symbolik noch eine größere Bedeutung als heutzutage: ein Oberforstmeister in Gala-Uniform hinterließ vor hundert Jahren einen nachhaltigen Eindruck.
Die Eiche zeigt sich auch als wesentlicher Bestandteil deutscher Münzprägungen. In der Weimarer Zeit schmückte eine Eiche als Symbol der Kraft die 5-Reichsmark-Münze. Ein Bild, das viele noch vor Augen haben, ist eine junge Frau – Jo Werner aus Oberursel –, die eine Eiche pflanzt. Diese Prägung lud die 50-Pfennig-Münze aus Zeiten der D-Mark auf. Eichenlaub ist noch immer auf deutschen Münzen zu sehen, auch wenn die Währung zum Euro wurde: auf der 1-, 2- und 5-Cent-Münze.
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Der Inhalt aus diesem Artikel ist aus dem Buch:
Jeroen Pater – Riesige Eichen
320 Seiten, 195 Farbfotos, 120 s/w Fotos
€/D 50,00 / €/A 51,40 / sFr 62,50
ISBN 978-3-440-15157-0
Verlag Kosmos
Jeroen Pater, Forstexperte und renommierter Baumfotograf, reist seit vielen Jahren durch Deutschland, auf der Suche nach den ältesten und eindrucksvollsten ihrer Art. In seinem prachtvollen Bildband Riesige Eichen stellt er über 100 Bäume in ausführlichen Porträts vor, darunter auch Exemplare, die bisher noch nicht in Büchern beschrieben worden sind. Insgesamt gibt es auf 320 Seiten mehr als 150 beeindruckende Eichen zu entdecken.